Nicht das Äußere
(Phänotypus) eines
Lebewesens, sondern erst seine Nachkommenschaft
lässt
erkennen, woraus sein
Erbgut (Genotypus) zusammengesetzt ist.
Die Träger der Erbanlagen (Erbfaktoren, Erbeinheiten, Gene) ruhen
in den
Zellen eines Organismus.
Deshalb ist es für das Verständnis
der
Vererbungsvorgänge unerlässlich,
sich wenigstens in
groben Zügen mit dem
Bau der Zelle und bestimmten Vorgängen in ihrem Inneren zu
befassen.
Eine Zelle enthält sämtliche zum Leben notwendigen
Bestandteile. Daher
vermögen Einzeller, wie z.B. Urtierchen, völlig
selbständig zu leben.
Höher entwickelte Lebewesen hingegen setzen sich aus einer
Vielzahl von
Zellgemeinschaften (Organen)
mit spezialisierten, dem Gesamtorganismus
dienende Funktionen zusammen.
Form und Aufbau einer Zelle hängen von ihrer Aufgabe ab.
Allen
Zellen
gemeinsam ist ein aus flüssigem Zellplasma (Zytoplasma)
gebildeter, von
der Zellwand (Zellmembran) begrenzter Zellleib
mit Zentralkörper
(Zentrosom) und ein von der Kernwand umschlossener Zellkern
(Nukleus).
Zellleib und Zellkern werden von der eigentlichen
Lebenssubstanz,
dem Protoplasma, gebildet.
Chemisch besteht das Protoplasma im
wesentlichen aus Eiweißstoffen (Proteinen), Fetten
(Lipoiden),Wasser,
bestimmten Salzen und Enzymen.
Letztere wirken als biologische
Katalysatoren, die ohne selbst verändert zu werden, chemische
Reaktionen
beschleunigen.
Im Zellkern, einem unter dem Mikroskop fast durchscheinenden
Bläschen,
liegen ein oder mehrere Kernkörperchen (Nukleoli).
In
künstlich gefärbten,
abgetöteten Zellen lässt sich außer dem "Kernsaft"
eine bestimmte Körnung
oder ein feines oder gröberes Kerngerüst wahrnehmen.
Die
stark färbbaren
Substanzen des Kerninhaltes bezeichnet man als Chromatin (gr.chroma
=Farbe).
Er setzt sich aus Eiweißverbindungen und Kern- oder
Nukleinsäuren
zusammen,
unter denen die erwähnte Desoxyribonukleinsäure
(DNS bzw. DNA)
als materielle Grundlage beim Erbgeschehen, eine Sondereinstellung
einnimmt.
Von allen Zellarten eines
höher
entwickelten Organismus spielen die Keimzellen (Gameten,
Geschlechtszellen)
als Generationen überbrückende Vermittler
des
Erbgeschehens die wichtigste Rolle.
Wie andere Körperzellen
vermehren sie
sich zunächst durch Teilung.
Zuvor aber entwickeln sich in ihrem
Zellkern
aus dem Chromatin zahlreiche Kernschleifen (Chromosomen),
deren Gestalt
und Anzahl für jede Gattung spezifisch sind.
Ihre Zahl beträgt
beim
Menschen 46 und beim Hund sind es 78!
In den Chromosomen liegen die linear angeordneten Erbanlagen (Gene)
jeweils an einem ganz bestimmten Genort.
Für die Chromosomen
besonders
gründlich erforschter Arten wurden Chromosomenkarten mit Angabe
aller
bekannten Genorte erstellt.
Die Gesamtheit des Erbgutes bezeichnet man auch als Keimplasma
(Erbmasse,
Genom).
Keimzellen übertragen bei der Befruchtung des Erbgut der Eltern
(Parental- oder P-Generation)
auf jede nachfolgende Tochtergeneration
(Filial- oder F-Generation).
Fortlaufende Teilung lässt aus einer befruchteten Eizelle
(Zygote)
nacheinander jeweils die doppelte Anzahl von Zellen (2,4,8,16 usw.)
entstehen,
so dass sich allmählich ein neues Lebewesen formt,
bei dem sich
die meisten Zellen zu Körperzellen und nur ein geringer Teil
wiederum zu
Keimzellen entwickeln.
Bei der zum Wachstum erforderlichen Zellteilung wird die Zelle durch
Einschnürung in zwei gleichwertige Hälften zerlegt.
Zunächst wird nach der
Halbierung des Zentralkörpers (Zentrosom) der Zellkern geteilt.
Diese
Teilung vollzieht sich, indem sich die Chromosomen, nach identischer
Verdopplung der in ihnen ruhenden Gene,
jeweils der Länge nach in
zwei
völlig erbgleiche Hälften (Chromatiden) spalten.
Damit bleibt
der Erbwert
für die beiden sich neu bildenden Zellen gleich.
Nur die Substanz
des
Kerns wird halbiert.
Dieser mehrphasige erbgleiche Teilungsvorgang wird
Äquationsteilung oder Mitose genannt.
Nach Teilung des Zellkerns wird auch der übrige Zellleib durch die
Bildung
einer Trennwand in zwei gleichwertige Hälften zerlegt.
Das
mengenmäßige
verringerte Plasma, aus dem auch die Chromosomen bestehen,
erreicht bis
zur nächsten Zellteilung durch die Aufnahme von Nährstoffen
seinen
früheren Umfang.
Anders als die zuvor
geschilderte,
der Zellvermehrung dienende erbgleiche Teilung der befruchteten Eizelle
und aller weiteren Körperzellen vollzieht sich die beschriebene,
mehrstufige Entwicklung weiblicher und männlicher Keimzellen,
in
der sog.
Reifungsteilung (Reduktionsteilung, Meiose).
Zu Beginn einer
Wachstumsphase erfolgt zunächst die Auflösung des Zellkerns.
Danach ordnen
sich die väterlichen und mütterlichen Chromosomen der Ei- und
Samenzellen
zu homologen (gleichen) Paaren.
Während dieser Konjugation überkreuzen sich zuweilen einzelne
Chromosomen
und tauschen größere oder kleinere Abschnitte aus ( crossing
over).
Jedes
Gen bildet jeweils mit dem ihm entsprechenden Gen
(Allel, alleles Gen) im Partnerchromosom ein paralleles Paar.
Der
volle,
aus Paaren bestehende Chromosomensatz einer normalen Zelle wird als diploid (doppelt) bezeichnet.
Zur Vermeidung ständiger Chromosomenverdopplung bei einer
später
erfolgenden Eibefruchtung durch die Samenzelle
ist zunächst die
Reduzierung der Chromosomen durch die Trennung der Paare
in der nun
einsetzenden 1. Reifungsteilung (Reduktionsteilung) eingeschaltet.
Danach weisen reife Keimzellen nur noch einen einfachen Chromosomensatz
auf, der bei Hunden aus 39 Einzelchromosomen besteht.
Die eine
Hälfte der
reifen Samenzellen enthält ein X-, die andere ein Y-
Geschlechtschromosom.
Bei der Teilung bleibt
es dem
Zufall überlassen,
ob das vom Vater oder der Mutter stammende
Erbgut
innerhalb der Zellen Verwendung findet.
Somit sind bei Hunden insgesamt 2hoch39 (= 1 099 511 627 776)
verschiedene
Chromosomenkombinationen denkbar.
Eine dreizehnstellige Zahl von Genkombinationen!!!
Auf diese Reduktionsteilung folgt als 2. Reifungsteilung eine normale
Mitose, so dass jeweils vier Eizellen bzw. Samenzellen entstehen.
Nur eine
der vier gebildeten Eizellen (Oozyten) wächst in den Follikeln
(Eierstockbläschen)
der weiblichen Eierstöcke (Ovarien) in
mehreren Phasen
zur vollen Größe heran.
Die Restkörper
(Richtungskörper) jeder Eizelle
gehen zugrunde.
Erst im Oestrus (Hitze, Läufigkeit) erfolgt bei Hündinnen
nach dem Deckakt
der Eisprung (Ovulation).
Beim Deckakt befruchtete Eizellen nisten sich
anschließend in den Schleimhäuten der Gebärmutterwand
ein.
Beim Rüden bilden sich reife Samenzellen nach Einsetzen der
Geschlechtsreife im keimbildenden Epithel der Hodenkanälchen und
werden,
vermischt mit dem Sekret der Vorsteherdrüse (Prostata), beim
Deckakt zur
Befruchtung der Eizelle freigesetzt.
Das gesamte geschilderte Geschehen unterliegt der Steuerung durch
Hormone
der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) und der Keimdrüsen
(Eierstöcke,
Hoden).
Während der Paarung
schütten die
Fortpflanzungsorgane des Rüden unzählige reife Samenzellen
aus.
Für die
Anzahl der Nachkommen ist jedoch allein die Zahl reifer Eier
maßgebend,
die nach dem Deckakt die Eierstöcke der Hündin verlassen.
Die Befruchtung wird durch das Eindringen einer männlichen
Samenzelle in
das zur Empfängnis bereite Ei am Befruchtungshügel
eingeleitet.
Die
Eizelle bildet eine schützende Befruchtungsmembran.
Der Schwanz
des
Samenfadens wird abgeworfen, und die eingedrungene Samenzelle dreht
sich
um 180 Grad.
Das sich hinter dem Kopf des Samenfadens befindliche
Halsstück ergibt den Zentralkörper,
der sich vom Kopf trennt
und eine
Polstrahlung im Eiplasma auslöst.
Zuvor nimmt der männliche
Samenkern
(Kopf des Samenfadens) auf seiner Wanderung zum Eikern
aus der Eizelle
Protoplasma auf und schwillt zur Größe des weiblichen
Befruchtungskerns
(Vorkern) an.
In beiden Vorkernen entstehen schließlich die
Chromosomen.
Der Zentralkörper teilt sich in zwei Hälften, zwischen denen
eine
Teilungsspindel entsteht.
Beide Vorkerne verschmelzen dann unter Auflösung der Kernmembran
zum
Zygotenkern (Synkarion).
Damit ist der Befruchtungsvorgang beendet.
Als Folge der vorangegangenen Meiose brachte jeder Vorkern nur den
halben, einfachen (haploiden) Chromosomensatz mit.
Der Zygotenkern besitzt nach der Verschmelzung den vollen (diploiden)
Chromosomensatz.
Die von Rüden und Hündin stammenden
Chromosomen stellen
sich nun in die Teilungsebene ein
und werden in der ersten
Furchungsteilung, die dem Zellwachstum dient,
nach vorheriger
Verdopplung
der Länge nach, erbgleich gespalten (Mitose).
Unter weiteren erbgleichen Teilungen erfolgt die Entwicklung eines
neuen
Lebewesens.
Laut einer irrigen
Züchtermeinung
üben die Erbanlagen des Vaters einen größeren
Einfluss
auf die
Beschaffenheit des Nachwuchses aus, als die der Mutter.
Wahrscheinlich
sprechen aus diesem Grunde Hundezüchter vom Nachwuchs eines
bestimmten
Zuchtrüden.
Nach den bisherigen Ausführungen dürfte
jedoch deutlich sein, dass diese Ansicht keineswegs den Tatsachen entspricht,
da das
Erbgut eine
gleichmäßige, wenn auch dem Zufall unterworfene Aufteilung
erfährt.
Infolge eines reichlichen Plasmavorrates ist die reife Zelle wesentlich
umfangreicher,
als die nur aus ihrer Kernsubstanz bestehende
Samenzelle.
Die Eizelle allein liefert auch zunächst die Aufbaustoffe für
die aus der
folgenden Furchungsteilung (mitotischen Teilung)
hervorgehenden
Körperzellen des neuen Organismus und kann somit einen gewissen
zusätzlichen Einfluss auf diesen ausüben
(z.B. plasmatische Vererbung bei
der Paarung von Pferd und Esel).
Ihr Zellplasma besteht u.a. aus
Enzymen,
die bei der Bildung von Pigment eine Rolle spielen.
Das Geschlecht wird von den Samenzellen des Rüden bestimmt.
Von
den 78
Chromosomen, die eine Hündin im Erbgut trägt, sind bei beiden
Geschlechtern 38 Paare (Autosomen) gleichermaßen vorhanden.
Das
39. Paar
besteht aus Geschlechtschromosomen (Heterosomen)
und setzt sich bei der
Hündin aus zwei gleichwertigen X Chromosomen,
beim Rüden aus
je einem
uneinheitlichen X und Y Chromosomen zusammen.
Bei der Verschmelzung des einfachen Chromosomensatzes von Rüde und
Hündin
während der Befruchtung
entstehen demnach befruchtete Eizellen mit
einem
einheitlichen (XX)
oder einem uneinheitlichen (XY)
Geschlechtschromosomenpaar.
Theoretisch müssten demnach ebenso viele weibliche wie
männliche Nachkommen
geboren werden.
Die Praxis widerlegt jedoch diese Annahme.
Man
weiss
ziemliche sicher, dass der unterschiedliche Reifungsgrad
weiblicher und
männlicher Samenzellen,
aber auch ein bestimmtes Säure-
Basen- Verhältnis
im weiblichen Vaginaltrakt,
für ein zeitweiliges Überwiegen
männlichen
Nachwuchses verantwortlich sind.
Ob nach der Reifungsteilung im
einfachen Chromosomensatz der reifen Keimzellen
die mütterlichen
oder
väterlichen Erbanlagen überwiegen, bleibt ganz dem Zufall
überlassen.
Ein
Teil davongeht bei der Bildung reifer Eizellen verloren.
Auch
während der
Befruchtung gelangt nur eine bestimmte elterliche Anlagenkombination
zur
Entfaltung.
Durch diese
Genverluste, von
Züchtern als "Ahnenverluste" bezeichnet,
können schon in der
dritten
Nachkommengeneration zahlreiche großelterliche Merkmale
gänzlich
verschwunden,
"herausgemendelt" sein.
Es wäre daher sinnlos, einer Ahnentafel mit mehr als drei
zurückliegenden
Generationen ein allzu großes Gewicht
beizumessen.
Denn nur dort, wo mittels Inzucht für viele Eigenschaften nahezu
erbreine
Stämme herangebildet wurden,
sind aus dem Studium der Ahnenreihe
Rückschlüsse auf den künftigen Nachwuchs möglich.
Echter Ahnenverlust liegt dann vor, wenn auf Grund von
Inzucht,
sowohl bei den väterlichen als auch bei den
mütterlichen
Vorfahren, mehrfach die selben Hunde auftauchen,
so dass z. B.
statt 30
möglicher, nur noch 24 verschiedene Ahnen zu finden sind.
Noch größere Ahnenverluste liegen bei Hunderassen vor,
die
sich zuweilen
auf nur ein oder zwei Ausgangspaare zurückführen lassen.