Arten- und Rassenbildung
Der Begründer der Evolutionstheorie, Charles Darwin, lehrte,
dass neue
Arten durch natürliche Zuchtwahl (Auslese, Selektion),
d. h. durch
eine
allmähliche Anpassung von Lebewesen an ihre Umwelt
entstünden.
Auf Hunde
bezogen hieße dies, dass sich z. B. eine vererbbare
Langhaarigkeit dann
ausbilden könnte,
wenn man Kurzhaarhunde nur lange genug,
entsprechend
kalten Temperaturen aussetzte.
Doch eine derart erworbene Dichte und Länge des Haares bliebe
ausschließlich auf ihre Träger beschränkt
und ging
nicht auf deren
Nachkommen über.
Erfolgt jedoch zugleich eine entsprechende erbliche Änderung,
eine Mutation jener Anlagen, die sonst kurzes Haar bewirken,
kann
in der Generationsfolge allmählich auch mit lang behaartem Nachwuchs gerechnet werden.
Erhöht diese Mutation darüber hinaus in besonders
unwirtlichen Gegenden
die Überlebenschancen der damit
ausgestatteten Lebewesen.
Die Kurzhaarigen sterben aus, die
Langhaarigen überleben.
So formt
sich in
natürlicher Zuchtwahl allmählich eine neue, besser angepasste
Art.
Auf
diese Weise könnte das dichte und lange Haarkleid unserer
Tibethunde
entstanden sein.
Freilebende Hunde mit schweren Erbfehlern wären in ihrer
natürlichen
Umwelt nicht überlebensfähig.
Nur die tüchtigsten können den oft harten Lebenskampf
bestehen.
Auf diese Weise verschwinden ungünstige Mutationen zusammen mit
ihren Trägern in der Natur nach einiger Zeit von selbst.
Von manchen Züchtern, dies gilt für alle Bereiche der
Tierzucht, wird
hingegen ungeachtet tierschützerischer Bedenken,
Defektmutationen
aller
Art oftmals ganz besonderes Augenmerk geschenkt.
Kein Wunder, gilt doch das Außergewöhnliche, Abnormale in
bestimmten
Bevölkerungskreisen als besonders wertvoll,
verspricht es dessen
Züchtern
höheren materiellen Gewinn!
Welche Konsequenzen sich später für die betroffenen Lebewesen
ergeben,
steht dabei kaum zur Debatte.
Möglich sind Deletion:
Kleine Teilstückchen lösen sich auf.
Duplikation:
Ein Teilstückchen wird in ein
Schwesterchromatid
eingegliedert.
Translokation:
Ein Teilstückchen heftet sich an ein nicht
homologes
Chromosom.
Inversion:
Innerhalb
eines Chromosoms kann sich nach einem doppelten Bruch auch ein
Stückchen
wiedereinfügen.
Die Wirkungsweise eines Gens ist auch vom Ort des Gens abhängig,
d.h. der
Anordnung der Gene (Positions-Effekt).
Crossing over:
In der Reifeteilung, wo der diploide auf den
haploiden
Chromosomensatz reduziert wird,
kann es passieren, dass sich zwei
homologe Chromosomen überkreuzen (Chiasma)
und gegeneinander ausgetauscht
werden.
Bei Langhaarhunden ist es üblich, die Haare nicht als Fell zu
bezeichnen,
sondern wir sprechen beim Tibet Terrier vom Haarkleid.
Kurzhaarige Hunde waren zu langhaarigen mutiert,
weil damit im Hochland
von Tibet besserer Schutz vor rauher Witterung, Wind, Kälte und Schnee
erfolgen konnte.
Langes und dichtes Haar ermöglichte dem Tibet Terrier eine bessere
Anpassung an diese Umwelteinflüsse.
So entstanden im Hochland Tibets unsere mit dichter Unterwolle und
langem
Deckhaar ausgestatteten Hunde.
In Zusammenhang damit ist auch ein weiteres rassespezifisches Merkmal
zu
sehen.
Die Sommer in diesen Gegenden sind nur kurz.
Die Zeit reichte nicht aus, falls ein Haarwechsel erfolgt wäre,
schnell genug ausreichend Winterhaar zu bilden.
Deshalb verzichtet die Natur beim Tibet Terrier auf diesen
jahreszeitlich
bedingten Haarwechsel.
Beide Merkmale, langes Haar und kein Haarwechsel sind heute bei allen Vertretern der
Rasse vorhanden.
Der ursprüngliche Genotyp hat sich durch Mutation verändert.
Diese erfolgte über einen sehr langen
Zeitraum!!!
Das Haarkleid von Tibet Terriern, die heute besonderen
Umweltbedingungen
ausgesetzt sind,
z. B. Kälte in nordischen Ländern, ist in
Folge solcher
Umwelteinflüsse mitunter,
im Gegensatz zu Rassevertretern aus
wärmeren
Gegenden, besonders prächtig ausgebildet.
Auf Grund des (entwicklungsgeschichtlich
gesehen) relativ kurzen Zeitraums
in der unsere Hunde in diesen Ländern
gehalten werden
änderte sich dabei aber nur das Erscheinungsbild.
Der Phänotyp dieser Tibet Terrier unterlag
lediglich einer Veränderung,
einer Modifikation.
Da das vorhandene "Prachthaar" nur phänotypisch bedingt ist,
verschwindet
es bei Änderung jener Umweltbedingungen, die zu seiner Bildung
geführt
haben.
Wer in wärmeren Regionen solche Hunde in der Zucht einsetzt und
nun
erwartet,
dass die Nachkommen ebenfalls mit besonders
prächtigem Haar
geboren werden,
wird enttäuscht sein.
Alle Nachkommen werden wieder mit "normalem" tibetischen Haarkleid
geboren.